Rund um die Schweiz - Eine Reise im Grenzbereich

Pontarlier - Annecy

Von den Jurahöhen zum Venedig der Alpen

Pontarlier - Annecy

Aber trotz der enormen Hitze gibt es natürlich auch Angenehmes zu berichten. Radeln gibt Hunger und Durst. Was gibt es da Angenehmeres, als an einem kühlen schattigen Plätzchen das Mitgebrachte auszupacken und herzhaft zuzubeissen?

Übrigens:
Falls Sie nur mit dem Auto herumfahren, dann wissen Sie wahrscheinlich nicht, was HUNGER ist. Bestenfalls haben Sie dann Appetit - oder Ihnen ist übel.

Idyllische Ansichten bietet der Doubs. Etwas weniger gefallen mir dann die riesigen Ferienwohnungsklötze. Offenbar eine französische Spezialität zur Verschandelung von Landschaften. Ich übernachte in Morez. Auch nachdem die Sonne untergangegangen ist, bleibt es nach wie vor unglaublich heiss. Schlaf ist nur möglich, wenn ich mich in nasse Bettücher einwickle. In Anbetracht dieser Umstände ist es wohl verständlich, dass mich der vergessene Weihnachtsstern in diesem Ort als Erinnerung an kühlere Tage herzlich amüsiert hat.

Am nächsten Morgen kann ich das morgens um vier Uhr gut verschlossene Hotel mitsamt meinem Liegerad nur mit Mühe verlassen. Alles ist abgeschlossen, nirgendwo steckt ein Schlüssel, kein Mensch ist zu sehen, und ein recht hoch über dem Boden liegendes Fenster ist leider der einzige Ausgang, den ich finden kann.

Aber was für ein Morgen! Die Luft ist noch frisch, und ich bin es auch. Und auch der Wegweiser sagt "Toutes Directions" - alle Richtungen. Morgens um halb sieben auf dem Col de la Faucille geniesse ich ein ausgezeichnetes Frühstück und die grandiose Aussicht auf den Genfersee und die Alpen.

Nach der langen und schnellen Abfahrt vom Pass rase ich mit Rückenwind auf der nachfolgenden langen Geraden mit bis zu 50 km/h dahin. Dass mich ein Autofahrer mehrmals überholt und ab und zu anhält, um mich zu filmen und mir auch etwas Unverständliches zuzurufen - ich nehme es als Begeisterungkundgebung - steigert nur noch meine Euphorie. Die Ursache seiner Aufregung entdecke ich erst später, als ich mal kurz anhalte. Eine meiner Packtaschen hängt nur noch an einem einzigen Haken - es hätte wenig gefehlt, und ich hätte sie vollends verloren. Ist gerade noch mal gut gegangen!

Die Hitze und die Steigungen der vergangenen Tage haben mir erheblich zugesetzt. Ich habe in den anhänglichen Anstiegen im Jura recht schnell festgestellt, dass mein Liegerad für die noch zu erwartenden langen Anstiege der Alpenpässe zu gross übersetzt ist. Ich beschliesse, die vordere Rennrad-Kettengarnitur gegen eine andere mit kleineren Zahnrädern zu tauschen. In einem Supermarkt in Thoiry finde ich einen Fahrradladen und einen Mechaniker, der zwar keine Zeit, aber die gewünschten Teile und das benötigte Werkzeug für mich hat. Mein Liegerad bekommt hier ein neues Tretlager, eine neue Kurbelgarnitur mit Mountainbike-Kettenblättern und eine neue Schaltung vorn. Damit bin ich jetzt für die kommenden Steigungen bestens gerüstet.

Bald darauf passiere ich den westlichsten Punkt der Reise - der Durchbruch der Rhone bei Genf bei Bellegarde. Auf der kurz darauf erklommenen Hochebene vor Annecy ist zu sehen, dass man nicht unbedingt ans Meer fahren muss, um Inseln zu sehen. Grün und rund ragen die Hügel aus den sie umgebenden riesigen Weizenfeldern, deren gelbe Halme sich leise im Winde wiegen. Schön!

Reger Betrieb herrscht in der Altstadt von Annecy. Ein wirklich sehenswerter Ort! Es ist Samstag abend, und viele der Hotels im Ort sind ausgebucht. Aber nach längerem Suchen finde ich schliesslich auch hier ein stimmungsvolles Hotel in einer alten umgebauten Kirche in unmittelbarer Nähe des Sees. Und hier noch ein Rätsel, das ich bis heute nie zu lösen vermochte: Weshalb nur bekommen müde Radler IMMER ein Zimmer im dritten Stock und meistens ohne Lift? Aber die Kühle im Zimmer ist nach der Hitze des Tages genauso wohltuend wie die kalte Dusche.

Dann gehe ich zum Nachtessen. In der Altstadt zeigt eine Trachtengruppe mit Fahnen von Savoyen zum Klang ihrer Trommeln begeisternde Tänze und Figuren bis hin zu hohen Menschenpyramiden. Unmittelbar vor dem Höhepunkt ihrer Darstellung - einer vier Mann hohen Pyramide - ist mir natürlich der Film ausgegangen ...

In einem netten Restaurant am Ufer des die Stadt durchquerenden Flusses bekomme ich ein feines Nachtessen und mein Tag ein abruptes Ende zugleich: Das Paar am Nebentisch bestellt trotz der Hitze Fondue (auf einem kleinen Spiritusbrenner warmgehaltener flüssiger Käse, in den kleine Brotstückchen getunkt werden). Bei uns ist das eigentlich eher ein Gericht für kühle Tage. Aber bald wird es richtig abenteurlich: Der Brenner unter dem Käse wird zu heiss, die Flamme wird immer grösser und züngelt unter der Pfanne hervor. Bei ihrem ersten Versuch, die Flamme zu reduzieren, setzen die Gäste am Tisch erst mal gleich einige Servietten in Brand. Als der lauteste Mann in der Gruppe daraufhin diese Brände mit seinem in der Zwischenzeit ausgezogenen Hemd zu löschen versucht, ist es Zeit für mich, zu gehen. Fluchtartig verlasse ich das Lokal. Abenteuer ja bitte - aber Brandwunden? Lieber nicht!

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